Gelenkersatz
Verglichen mit Hüfte und Knie ist ein Verschleiß beim Ellenbogen eher selten, da das Gelenk kein Gewicht trägt. Dennoch kann auch hier eine Arthrose auftreten. Sie beginnt meist im Gelenk zwischen Oberarmknochen und Speiche und dehnt sich von da auf die übrigen Gelenkanteile aus. Pro Jahr implantieren Orthopäden und Unfallchirurgen in Deutschland etwa 400 Ellenbogenprothesen.
In der Vergangenheit kam die Ellenbogenprothese vor allem bei der Therapie der rheumatoiden Arthritis zum Einsatz. Heutzutage wird diese Indikation aufgrund verbesserter medikamentöser Therapien, die den Gelenkverschleiß verlangsamen, seltener gestellt. Dennoch wurden in den letzten Jahren zunehmend mehr Implantationen vorgenommen, insbesondere, um komplexe Brüche des unteren Anteils des Oberarmknochens oder Verrenkungsbrüche im Bereich des Radiuskopfes zu behandeln.
Bei einer Ellenbogenarthrose muss der Arzt nicht zwingend alle Gelenkanteile ersetzen. Je nach Krankheitsbild, vorangegangener Verletzung und Stabilität der Seitenbänder kann er auch eine Teilendoprothese implantieren. Im frühen Stadium einer Arthrose genügt es mitunter, einzelne Gelenkteile wie den Radiuskopf, den unteren Oberarm oder die Oberfläche der Speiche zu ersetzen.
Prothesenmodelle
Bei der Totalendoprothese wird vorrangig das Scharniergelenk zwischen Oberarm und Elle ausgetauscht. Drei Modelltypen von Ellenbogengelenkprothesen stehen grundsätzlich zur Verfügung. Eine ungekoppelte Prothese ersetzt lediglich die Oberflächen der abgenutzten Gelenke. Sie kann beim jungen Patienten verwendet werden, solange der Seitenbandapparat stabil ist (zwingende Voraussetzung!). Eine gekoppelte Prothese kommt zum Einsatz, wenn der Bandapparat nicht mehr ausreichend stabil ist. Hier sorgt eine Teilachse bzw. ein Scharnier für die stabile Führung der Gelenkanteile zwischen Ober- und Unterarm. Diese Prothesenart ist infolge der Achsführung sehr stabil, lockert sich aber schneller aus.
Das modernste Implantat ist die sogenannte teilgekoppelte Prothese, die durch eine „lockere“ Gelenkverbindung in Form eines Kopplungsmechanismus eine verbesserte Stabilität gewährleistet aber dennoch ein gewisses Gelenkspiel zulässt. Damit wird eine längere Lebensdauer (Standzeit) und ein sehr gutes funktionelles Ergebnis erzielt. Orthopäden implantieren heutzutage vornehmlich teilgekoppelte Prothesen (für Patienten > 65 Jahre).
Der Eingriff
Die Implantation erfolgt unter Vollnarkose in Rücken- oder Seitenlage. Die Operateure unterscheiden zwei Zugangswege: Trizeps-on oder Trizeps-off. Trizeps-on bedeutet, dass der Arzt von hinten zum Gelenk gelangt, ohne die Sehne des Trizepsmuskels zu lösen. Trizeps-off steht für die Ablösung der Trizepssehne vom Knochen. Experten bevorzugen heutzutage das Triceps-on-Verfahren, da die Nachbehandlung und Rehabilitation der Patienten früh und rasch erfolgen kann. Eine Trizepsschwäche oder ein Riss der Trizepssehne lassen sich verhindern. Die Prothese wird mit Knochenzement im Oberarm oder in der Elle verankert. Zu den Risiken des Gelenkaustauschs gehören Infektionen, nicht-infektiöse Prothesenlockerungen, Knochenbrüche und Nervenläsionen.
Risiken
Das renommierte Fachjournal Lancet bezeichnete 2007 den Gelenkersatz als die „Operation des 21. Jahrhunderts“. Mittlerweile halten Prothesen durchschnittlich ca. 15 bis 20 Jahre, oft auch länger. Stetig klettern diese Zahlen weiter nach oben: So stieg allein zwischen 1993 und 2003 der Anteil der Hüftgelenksendoprothesen, die nach 10 Jahren noch gut funktionierten, von 92 auf 95 Prozent. Neben der Haltbarkeit der Prothese ist für die langfristige Erfolgsbewertung eines künstlichen Gelenks die Kenntnis möglicher Komplikationen interessant. Zu den schwerwiegendsten Risiken einer Gelenkersatzoperation zählen Infektionen (früh, spät; oberflächlich, tief), die Bildung von Blutgerinnseln in einer Beinvene (Thrombose, ggf. Embolie) und sogenannte aseptische Prothesenlockerungen (ohne Infekt).
Entscheidend für die Prognose im Einzelfall ist das möglichst frühzeitige Erkennen einer Komplikation und deren unmittelbar einsetzende, angemessene Behandlung. Infektionen machen eine Behandlung mit ggf. speziell ausgewählten Antibiotika erforderlich. Bei tief liegenden Infektionen kann der teilweise oder vollständige Ausbau der Prothese nötig werden (s. u.). Thrombosen werden mit Ultraschalluntersuchungen der Blutgefäße erkannt und mit Medikamenten behandelt, welche die Gerinnungsfähigkeit des Blutes herabsetzen. Jährlich werden in Deutschland etwa 24.000 künstliche Hüft- und rund 16.000 künstliche Kniegelenke ausgewechselt. Etwa in der Hälfte der Fälle liegt eine Infektion zugrunde, darüber hinaus sind aseptische Lockerungen (Lockerung ohne Infektion) und andere mechanische Ursachen für den Prothesenwechsel verantwortlich.
Die DGOOC (Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie) hat Operationszentren zertifiziert (www.endocert.de), die garantieren, dass erfahrene Operateure alle Eingriffe betreuen, sämtliche Arbeitsschritte dokumentiert werden und das Personal regelmäßig geschult wird. Die Fallzahlen dieser Zentren sind öffentlich zugänglich.
Für ein besseres Ergebnis
Nach einem künstlichen Gelenkersatz sollte die schmerzfreie Bewegung möglichst ohne Gehhilfen nach sechs bis acht Wochen, spätestens nach drei Monaten wieder möglich sein. Auch wohldosierte sportliche Aktivitäten stellen in den meisten Fällen kein Problem dar (Wandern, Walking, Golf, Radfahren, Schwimmen, Krafttraining etc.). Allerdings sind Kunstgelenke keine Sportgelenke und sollten mit Sorgfalt und Umsicht behandelt werden. Je besser dies gelingt, desto höher sind die Chancen, dass ein Kunstgelenk über viele Jahre und im besten Fall ein Leben lang hält. Moderne Hightech-Implantate und neue OP-Techniken helfen dabei. Sehr wesentlich mitentscheidend für den Behandlungserfolg sind insofern auch das Verhalten und der Lebensstil des Patienten. Gewichtskontrolle, Kraftaufbau, Koordinationsschulung (Gangbild) sowie Art und Umfang des täglichen Gebrauchs sind Faktoren, die allein in der Hand des Patienten liegen.
Prähabilitation
Auch die Vorbereitung auf eine Gelenkersatzoperation liegt nicht allein in den Händen der behandelnden Ärzte. Der Patient selbst kann schon vor dem Eingriff vieles tun, um dem Operateur die Arbeit zu erleichtern und ein besseres Ergebnis zu ermöglichen. Gewichtsabnahme, Muskelkräftigung, Gangtraining und die Optimierung von Herz-Kreislaufund Stoffwechselwerten in Absprache mit dem Hausarzt sorgen für schnellere Operationen, kürzere Narkosezeit, weniger Komplikationen, eine kürzere und erfolgreichere Nachbehandlung sowie eine schnellere Genesung.
Rehabilitation
Eine mehrwöchige intensive Rehabilitation beginnt direkt im Anschluss an den Klinikaufenthalt (meist eine Woche nach der Operation). Sie soll einen kontinuierlichen Heilungsprozess und einen zielorientierten Aufbau der motorischen, aber auch kognitiven und psychischen Fähigkeiten des Patienten gewährleisten. Hier werden Schmerzen behandelt, die Wundheilung kontrolliert, die Muskulatur stabilisiert, die Koordination geschult und das Selbstbewusstsein wieder erarbeitet. Gesundheitszustand, häusliche Versorgung und mögliche Komplikationen entscheiden, ob ein Patient die Rehabilitation in stationärer (Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik mit Vollversorgung und therapeutischen Anwendungen) oder ambulanter Form (zu Hause wohnen, Behandlungen in einer oder mehreren therapeutischen Praxen) durchführt. Den Antrag für die Rehabilitation übernimmt der Sozialdienst des Krankenhauses in Abstimmung mit Operateur und Patient, die Kosten trägt die Krankenversicherung.
Die Nachsorge
Patienten dürfen eine Ellenbogenprothese auch nach vollständiger Ausheilung nicht mehr komplett belasten. Sie sollten maximal fünf Kilogramm heben; sich wiederholende Bewegungen wie beispielweise Handwerken oder Putzen, aber auch Schlagbewegungen sollten vermieden werden. Für ein optimales Ergebnis schließt sich an den stationären Aufenthalt in der Regel eine ambulante oder stationäre Rehabilitation an. Hier trainieren die Patienten vor allem die Ellenbogengelenk umspannende Muskulatur sowie die Koordination und Beweglichkeit des Gelenks. Die Rehabilitationsphase dauert in der Regel drei bis sechs Monate.
Das Ellenbogengelenk
Das Ellenbogengelenk verbindet Ober- und Unterarm und funktioniert als Dreh- und Scharniergelenk. Die drei Gelenkanteile – Oberarm, Elle und Speiche – ermöglichen einen kombinierten Bewegungsumfang von Unterarm und Hand, wie wir ihn im Alltag und beispielsweise für zahlreiche Sportaktivitäten brauchen. Knöcherne Strukturen, Bänder und Muskeln sorgen dafür, dass das Gelenk stabil geführt ist. Aufgrund dieser anatomischen Komplexität ist das Ellenbogengelenk für Überlastungsschäden, aber vor allem für traumatische Verletzungen besonders anfällig. Eine Ellenbogengelenkausrenkung zum Beispiel ist nach der Schulter die zweithäufigste Gelenkluxation (Auftreten: 3–9 Fälle / 100.000 Personen) des Erwachsenen und kann, bei unzureichender Behandlung, zur Zerstörung des Gelenks und vorzeitigem Gelenkverschleiß führen. Durch sportliche Überbelastung sind junge Erwachsene für Veränderungen des Ellenbogengelenks besonders anfällig.
Arthrose und Arthritis
Mediziner unterscheiden am Ellenbogen knöcherne Erkrankungen und weichteilige Verletzungen. Zu den knöchernen Erkrankungen gehören Ellenbogenarthrose und -arthritis (Gelenkentzündung). Eine Ellenbogenarthrose betrifft meist Menschen, die einen Knochenbruch, eine Gelenkverrenkung oder eine andere Knochenerkrankung hatten. Infolge des Gelenkverschleißes treten Knorpelschäden, freie Gelenkkörper, knöcherne Anbauten und Deformitäten auf. Bei Arthritiden und rheumatischen Erkrankungen zerstört eine chronische Entzündung das Gelenk.
Zu den weichteiligen Verletzungen gehören überdehnte und gerissene Bänder nach Gelenkausrenkung, überlastete Sehnen und muskuläre Verletzungen. Sie können mit Schmerzen und Bewegungseinschränkung bis hin zur Ellenbogensteife einhergehen.